Das Hebammenwesen in der frühen Neuzeit
Die Geburtshilfe gehört zu den Tätigkeiten, die von Frauen seit jeher ausgeübt wurden. Im Mittelalter galt das Hebammenwesen als solidarische Unterstützung unter Frauen: Frauen, die selbst schon Kinder geboren hatten, standen anderen schwangeren und gebärenden Frauen bei. Erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich aus dieser Unterstützung das Hebammenamt, bis sich schließlich daraus ein Beruf entwickelte. Der Begriff „Hebamme“ (auch Hebe- oder Höbmutter genannt), bedeutet so viel wie: „eine Frau, die den Säugling vom Boden hebt“.
Der Beruf wurde im 16. Jahrhundert überwiegend von Frauen ausgeübt, die verheiratet oder verwitwet waren und schon selbst Kinder zur Welt gebracht hatten. Begründet wurde diese Auswahl damit, dass diese Frauen mehr Erfahrung besäßen und somit die Gebärende besser unterstützen und deren Bedürfnisse nachvollziehen könnten, andererseits aber auch nicht mehr selbst schwanger werden könnten und sich nicht mehr um ihre eigenen Kinder kümmern müssten. Somit stand die Hebamme rund um die Uhr für die Schwangeren zur Verfügung. Sie unterstützte die zukünftige Mutter nicht nur während der Geburt, sondern erklärte ihr auch die Pflege und den Umgang mit dem Neugeborenen nach der Geburt und übernahm diese Aufgaben in den ersten Tagen meist selbst, um der Mutter des Kindes Ruhe zu gönnen. Die Hebammen verpflichteten sich unter anderem dazu, Tag und Nacht einsatzbereit zu sein und keine Gebärende aufgrund ihrer sozialen Herkunft zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
Obwohl die Hebammen vielerorts von den Frauen der Gemeinde durch Wahl bestimmt wurden, ging die Profession oft von der Mutter auf die Tochter über oder wurde an andere weibliche Verwandte, z.B. von einer Schwester auf eine andere, übergeben.
Neben der seelischen und praktisch-medizinischen Betreuung der Gebärenden kamen den Hebammen in der christlich geprägten Welt der Frühen Neuzeit auch religiöse Aufgaben zu. Dazu gehörte insbesondere die sogenannte Nottaufe in der katholischen Kirche. Dadurch sollte verhindert werden, dass eine neugeborene Seele wegen der fehlenden Taufe zu ewiger Verdammnis verurteilt war, falls das Kind bei oder kurz nach der Geburt starb. Deshalb war die Hebamme verpflichtet, eine Nottaufe durchzuführen, falls ein Priester nicht rechtzeitig eintreffen konnte. Die Protestanten hingegen lehnten die Nottaufe ab, weil sie der Meinung waren, dass nur lebensfähige Säuglinge getauft werden müssen, während man für die sterbenden Neugeborenen nur beten sollte.
Zu den Aufgaben der Hebamme zählte es auch, die Mütter an die Pflicht zur Taufe des Kindes zu erinnern und Schwangerschaftsabbrüche sowie uneheliche Geburten zunächst der Kirche, dann der weltlichen Obrigkeit zu melden. Aufgrund dieser kirchlichen und sittenpolizeilichen Aufgaben musste eine Hebamme nicht nur eine entsprechende praktische Erfahrung und zunehmend auch medizinische Kenntnisse nachweisen, sondern auch über einen einwandfreien Leumund verfügen sowie eine Unterweisung in die kirchlichen Pflichten absolviert haben.
Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurde die Tätigkeit der Hebamme allmählich professionalisiert und akademisiert. Die reine Erfahrung reichte nicht mehr aus. Es wurden nun Lehrbücher über das Geburtswesen veröffentlicht. Vorausgesetzt wurde also, dass Hebammen sowohl lesen als auch schreiben konnten. Zukünftige Hebammen mussten erstmals an medizinischen Prüfungen und anatomischen Lehrkursen teilnehmen, um ihr Wissen und Können unter Beweis zu stellen.
Die allgemeine medizinische Versorgung der Bevölkerung in der Frühen Neuzeit wurde vor allem durch Handwerkschirurgen und Barbiere sichergestellt. Davon war die Geburtshilfe als eine rein weibliche Domäne in der Regel aber ausgeschlossen. Chirurgen und Barbiere wurden nur zu Geburten hinzugezogen, die als aussichtslos galten. Erst im späten 17. Jahrhundert beschäftigten sich Chirurgen zunehmend mit der Geburtshilfe, wobei allerdings Debatten entstanden, ob Männer sich mit dieser Tätigkeit überhaupt auseinandersetzen sollten. Chirurgen kümmerten sich nun zunehmend auch um die Ausbildung der Hebammen. Dies führte zu zahlreichen Konflikten, weil die Hebammen nicht akzeptieren wollten, dass das männliche Personal sich nun “ihr” Wissen aneignete und sie darin zu unterrichten suchte. Die Dominanz der Hebammen in der Geburtshilfe wurde zunehmend durch das neu ausgebildete männliche Medizinpersonal in Frage gestellt. Mit dem zunehmenden Interesse an der Geburtshilfe entstanden in einigen Hospitälern Entbindungsräume. Die ersten Hebammenlehranstalten wurden im 18. Jahrhundert gegründet, so beispielsweise 1728 in Straßburg. Schon bald erkannte man, dass sich junge Frauen vielleicht besser für die Ausbildung zur Hebamme eigneten, da sie in der Regel lernfähiger und flexibler als die älteren Frauen waren. Allerdings wurden die jungen Hebammen vor allem in den ländlichen Regionen mit großer Skepsis empfangen, da ihnen mangelnde Erfahrung vorgeworfen wurde.