Die Stadt Mainz in der Frühen Neuzeit
Die Stadt Mainz war Kathedralstadt und Hauptresidenz der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten. Seit der Gründung der Universität im Jahr 1477 durch Kurfürst Diether von Isenburg war Mainz auch Universitätsstadt.
Die Stadt zählte im Jahr 1644 ca. 6.500 Einwohner*innen, 1660 ca. 8.000 und um das Jahr 1700 15.000 Einwohner*innen.1 Im 18. Jahrhundert wuchs die Stadt rasant, sodass sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts zwischen 25.000 und 30.000 Einwohner*innen hatte und zu den mittleren Großstädten im Reich gehörte.2 Mainz war Sitz der Kurfürstlichen Landesregierung sowie Haupt- und Residenzstadt des Kurstaates Mainz.
Die Stadt beherbergte somit den Hof inklusive einer Vielzahl an Adelsfamilien und Amtsträgern bzw. Beamten. Mainz war überwiegend katholisch geprägt, der Klerus hatte einen Anteil von 3 % an der Bevölkerung der Stadt Mainz.3
Die Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen waren durch den Dualismus von geistlichem Erzbistum und weltlichem Kurstaat gekennzeichnet. Der Mainzer Kurfürst war der vom Domkapitel gewählte Erzbischof und somit das Oberhaupt der weltlichen wie der geistlichen Verwaltung. Der Stellvertreter des Kurfürsten als Herrn der Stadt Mainz war der Vizedominus bzw. Vizedom. Diese Position wurde stets von einem Adeligen bekleidet, der damit die Aufsicht über den Stadtrat, die städtischen Ämter und die Zunftorganisationen ausübte.4 Er sorgte somit im Auftrag des Erzbischofs für die öffentliche Sicherheit in der Stadt. Die landesherrliche Behörde, die die Beschlüsse des Vizedoms umsetzte, nannte sich Vizedomamt; ihr unterstanden verschiedene städtische Ämter und Organe. Die Verwaltung der Stadt lag in den Händen eben jenes Vizedoms und seines Vertreters, des Gewaltboten. Dieser war für die Sicherheitspolizei sowie für die Aufsicht über den Markt und das Bauwesen zuständig. Außerdem war der Gewaltbote als oberster Richter an allen Rechtsprechungen beteiligt, die die öffentliche Sicherheit in Mainz betrafen.5 Er nahm insofern die Position des Stadtschultheißen ein, woraus folgte, dass ihm auch der Stadtrat unterstand.6 Der Rat – bzw. Stadtrat – besaß, seitdem die Stadt Mainz im 15. Jahrhundert ihre Stellung als „freie Stadt“ eingebüßt hatte, nur noch eingeschränkte Kompetenzen. Er war ein Organ des Vizedomamts und durfte über Streitigkeiten zwischen Bürgern und über leichtere Kriminalfälle entscheiden. Allein der Kurfürst bestimmte die Ratsherren im Rat, die Bürgergemeinde hatte keinerlei Einfluss auf die Zusammensetzung des Rats. Der Mainzer Stadtrat war also eine Verwaltungsbehörde von kurfürstlichen Gnaden geworden.7 Er bestand aus 12, seit 1660 18 Mainzer Bürgern unter Vorsitz des Vizedoms und des Gewaltboten.8
Die Leitung der geistlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit lag beim Generalvikar und der zugehörigen Behörde, dem Generalvikariat. Dieses übte die Kompetenzen des Erzbischofs, wie Normgebungs- und Jurisdiktionsgewalt, stellvertretend in allen Verwaltungsangelegenheiten aus. Dementsprechend ergingen alle kirchlichen Normen, die der Kurfürst als Erzbischof erließ, im Namen des Vikariats.9
Für das Verständnis einiger in dieser Ausgabe edierter Quellen ist die Kenntnis des Supplikationswesens im Mainz der Frühen Neuzeit von Bedeutung. Bürger*innen der Stadt hatten die Möglichkeit, eine schriftliche Supplikation oder Bittschrift einzureichen, und somit unmittelbar Zugang zum Landesherrn, also dem Kurfürsten, zu erlangen. Dieses Verfahren umging die lokalen und andere nachgeordnete Behörden.10 Dieses Supplikationsverfahren trug dem selbstverständlichen Recht der Bürger*innen Rechnung, sich mit allen Beschwerden, Klagen und Anliegen an den Landesherrn als obersten Richter zu wenden. Ob dieser sich dann persönlich mit den Supplikationen befasste, konnte er jedoch frei entscheiden. Im Laufe der Zeit verlor der Begriff der Supplik seine ursprüngliche Bedeutung, nämlich die einer ”Gnadensupplik“ oder ”Rechtssupplik“, und wurde zu einem Fachbegriff in der Verwaltungssprache, dessen Bedeutung weiter gefasst war. Er bezog sich eher auf allgemeine Anfragen, die von Bürgerseite an den Kurfürsten gerichtet wurden, so wie beispielsweise die Bitte um Anstellung als Hebamme bei der Stadt Mainz. Hervorzuheben ist auf jeden Fall, dass diese Suppliken ein relativ ungeregeltes Verwaltungsverfahren in Gang setzten und den ursprünglichen Ablauf des Verwaltungsapparats umgingen.11
- Fouquet/Müller, Mainz, S.364f.
- Härter, Policey und Strafjustiz, S.34.
- Härter, Policey und Strafjustiz, S.35.
- Härter, Policey und Strafjustiz, S.78.
- Schrohe, Stadt Mainz, S.42.
- Härter, Policey und Strafjustiz, S.89.
- Dobras, Die kurfürstliche Stadt, S.231.
- Schrohe, Stadt Mainz, S.92f.
- Härter, Policey und Strafjustiz, S.51.
- Decker, Bürger, Kurfürst, Regierung, S.103.
- Decker, Bürger, Kurfürst, Regierung, S.104.