Kurf[ürstlich] Mainzische Landes-Regierung.
Seine Kurfürstliche Gnaden haben jederzeit den landesväterlichen Wunsch gehegt, daß zum wesentlichen Wohl Höchstdero Unterthanen, und dem Besten der Menschheit überhaupt, eine Schule der Entbindungskunst in Höchstdero kurfürstlichen Residenzstadt Mainz errichtet werde.
Höchstdieselben haben daher die zu diesem ersprieslichen Zwecke führenden Masregeln schon seit geraumer Zeit ergriffen, und finden es nunmehr an der Zeit zu seyn, daß zu dem gedeylichen Vollzuge geschritten werde.
In dieser Absicht ist nun dahier wirklich eine Accouchements-Anstalt getroffen. Der Hauptzweck derselben ist Geburtshelfer- und Helferinnen zu ziehen, welche in dieser zum Besten der Menschheit wesentlichen und unentbehrlichen Wissenschaft, theoretisch und praktisch gründlich unterrichtet sind. Der Lehrer dieser Entbindungsschule ist der Professor der Anatomie, Chirurgie, und Entbindungskunst Weidmann, welcher einsweilen seine Wohnung in einem Theil des ehemaligen Altenmünsterklosters1 gewählet hat. Zum Behuf dieses Instituts ist nun nothwendig,
1.) daß alle und jede unehelich schwangere Personen in der Stadt Mainz, und in dem Vicedomamte ausser der Stadt, in dem Vicedomamte Rheingau, und in dem Oberamte Höchst sich von Zeit zu Zeit bey erwähntem Professor in baldem anmelden, um der Ordnung nach aufgenommen zu werden; die einschlagenden2 kurfürstlichen Aemter haben daher dieses ungesäumt mit dem Bedeuten bekannt zu machen, daß die sich von selbst Anmeldenden, wenn der Impraegnator3 nichts zu zahlen im Stande sey, ganz frey verpfleget, und nach vollbrachtem Wochenbette, nur mit einer gelinden Strafe, die sich nicht Anmeldenden aber mit einer willkührlichen Zuchthausstrafe würden belegt werden, es seye dann, daß letztere sich mit obrigkeitlicher Erlaubnis davon redimiret4 hätten; daher dann die Hebammen in der Stadt, und auf dem Lande ausdrücklich zu befehligen sind, die ihnen bekannt werdenden unehelich Schwangere in das Accouchementhaus zu verweisen.
2.) Erhalten die sämmtlichen kurfürstlichen Aemter hiemit den Auftrag, ein richtiges tabellarisches Verzeichnis aller obrigkeitlich angestellten Hebammen, nach dem Namen, Alter, und Jahr der Anstellung, mit der Bemerkung, ob sie noch geheurathet, oder Wittween, und mit Kindern versehen seyen, oder nicht, längstens binnen 3 Wochen anher einzusenden, auch dabey zu bemerken, welche Besoldung sowohl in fixo als Accidenzien5 eine jede von Obrigkeits wegen besoldete Hebamme zu beziehen habe.
3.) In Betreff der auf dem Lande, und in den kurfürstlichen Aemtern befindlichen Hebammen, ist die Einrichtung zu treffen, daß dieselben nach und nach, und so, wie sie füglich aus einem Bezirke, ohne denselben von aller Hilfe zu entblösen, abkommen können, sich hieher begeben, um einen halbjährigen, oder ganzjährigen Kurs hindurch unterrichtet zu werden. Die dahier in der kurfürstlichen Residenzstadt Mainz befindlichen Hebammen aber sind insgesamt anzuhalten, sich bey dem Professor Weidmann zu melden, dessen Lehrstunden zu besuchen, Unterricht von ihm zu erhalten, sich daselbst praktisch zu üben, und überhaupt dessen Anweisungen zu befolgen.
4.) Diejenigen Personen, welche sich künftig diesem Amte widmen, und dazu in den Städten, oder auf dem Lande angestellt seyn wollen, sind mit der größten Sorgfalt zu wählen, damit weder an den Kräften, und der Bildung des Leibes, noch an der Fähigkeit des Geistes ein Mangel sey. Insbesondere sollen dieselben flüchtig6 lesen, und deutlich schreiben können, um die Bücher, welche man ihnen an Handen geben wird, lesen, und die Beobachtungen aufschreiben, und vor der Vergessenheit bewahren zu können.
5.) Nach dieser vorgegangenen Untersuchung werden dieselben mit den obrigkeitlichen Zeugnissen versehen, an den Professor Weidmann abgeschickt, welcher sie, im Falle er sonst keinen wesentlichen Mangel an denselben wahrnimmt, zum Unterrichte aufnimmt, und nach vollbrachter Lehrzeit mit den erfoderlichen Zeugnissen versiehet. Den kurfürstlichen Beamten verbleibt übrigens das Honorarium, welches sie bey dergleichen Annahmen zu beziehen, im Besitze sind.
6.) Alle Schülerinnen werden während der Lehrzeit von der Stadt, oder dem Amte, oder Amtsbezirke, dem sie künftig dienen sollen, unterhalten, es seye dann, daß eine oder die andere es aus eigenen Mitteln thun könne, und wolle.
7.) Sollen die kurfürstlichen Beamte zum längsten binnen 3 Wochen anher berichten, wie viel Geburtshelfer, und Geburtshelferinnen ausser den wirklich angestellten, des gemeinen Bedürfnisses wegen neu angestellt, und wie, und woher diese neu anzustellende Geburtshelfer und Helferinnen besoldet werden sollen, und können.
Sämmtliche kurfürstliche Beamte haben sich nach vorstehender Verordnung genau zu bemessen, auf den stracken Vollzug mit Nachdruck zu halten, und die gemeinnützige Absicht dieser Anstalt den Hebammen, und den kurfürstlichen Unterthanen wohl begreiflich zu machen. Mainz den 7ten Junius7 1784.
V[idi]t8 I[gnaz] M[arianus] Kissel, Regierungs-Secretarius.
- Ehemaliges Zisterzienserinnenkloster in Mainz, 1781 von Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal zugunsten der Finanzierung der Mainzer Universität aufgehoben. Der Kirchenbau wurde in den folgenden Jahrzehnten unterschiedlich genutzt und im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Ende der 1950er Jahre wurde dann an dieser Stelle die evangelische Altmünsterkirche errichtet.
- zuständigen.
- Schwängerer, d.h. der Kindsvater.
- befreit oder losgekauft.
- als (festes) Gehalt und mit (nicht näher bezeichneten) Zulagen.
- wohl gemeint: flüssig.
- Juni.
- Er hat gesehen.