Mainzer Hebammenwesen in der Frühen Neuzeit

Supplik der Magdalena Katharina Schmaus um Einstellung als Hebamme

Datum: 31.08.1769

Quelle: Stadtarchiv Mainz 27-350

Überlieferung: Ausfertigung von Schreiberhand mit Befehl des Hofrats an Vizedom und Gewaltboten zur Berichterstattung und Präsentationsvermerk 31.8.1769, 4 Anlagen.

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Hochwurdig hochwohlgebohrner Reichs-Freyherr, auch Hoch. hochwohl- wohl und hochedelgebohrne, hochgelährte, gnädige und hochgebiethende hochgeehrteste Herren!

Conclusum1 : Communicetur2 E[minentissimis] Vicedom und Gewaltsbott, daher zum gut[achterlichen] Bericht et ad remittendum3. Maynz d[en] 7. Sept. 1769 F[ranz](?) von Tannstein p[ro]p[ria]4

Einer Hochpreißl[ichen] Churfürstlichen Regierung in tiefster Demuth vorzustellen finde mich notdringlichst bemüsiget, was gestalten meiner verstorbenen Schwester Elisabethae Seitzin als geschwornen Hebammen hieselbst viele Jahre lang, da sie mich zuvor in allem demjenigen, was einer jeden in solcher Verrichtung zu wissen nöthig, fleisig unterrichtet gehabt, all möglichen Beystand geleistet, wie auch währender Zeit 97 Kinder glücklich ins Licht gebracht, dahingegen aber meine obersagte5 Schwester, als welche sich mehrentheils in kränklichen Umständen befunden, mit sothanem zu jedermänniglich besonderem Vergnügen und Zufriedenheit geschöpften Verdienst bis zu ihrem Absterben unterhalten und ernähren müssen; ich auch so weiter nach derselben Todt der Hebammen Christina Betzweilerin und ihrer Schwester ebenfalls in vielen Ammenverrichtungen bey adelich- und ohnadelichen, in specie bey Frauen Generalin von Fechenbach mit solchem Fleis ausgeholfen, daß mich hierdurch ohne eitelen Ruhm zu melden, allenthalben bestens recommendirt6 gemacht und von vielen eifrig gesucht worden, wie beykommende Attestata sub Littris7 A. B. C. et D, deren A. B. C. D.8 annoch mehr als hundert auf Erforderen9 beyzubringen im Stande, des mehreren bewähren, also zwaren, daß dasjenige, so bey anderen nur in denen Mäuler bestehe, bey mir in würckl[icher]. That zu finden seyn; und dann waren ich vor mehreren Jahren bey hiesig. Löbl[icher] Facultate medica auf mein geziemendes Anmelden zweymahl examiniret, aber wider mein besseres Verhoffen umb des willen, weilen mein oberwehnt, abgelebte10 Schwester sich dabey keine besonders gute Freunde zu erwerben gesucht, allemahl rejiciret11 zu werden das Unglück gehabt; da mich nun aber seit 6 Jahren her als von der Zeit des letzteren Examinis weit mehrers zu qualificiren beflissen, und nebst obberührten 97 Kinderen annoch weitere 814 Kinder zum Weltlicht glücklich beförderet, dermahlen aber bey löbl[icher] Facultate medica nicht zum ferneren Examen gelangen kann, dahingegen die viele in Praxi vor mir habende Proben ein theoretisches Examen und ein merckliches übersteigen.

Als gelanget an eine hochpreißl[iche] Churfürstl[iche] Regierung mein demüthig inständigstes Bitten, hochdieselbe an Churfürstl[ich] Hochlöbl[iches] Vicedomambt, die hohe Verfügung dahin ergehen zu lassen, in Gnaden geruhen wolle, daß ich als Hebamme recipiret12 und deswegen in Pflichten genommen, allenfalls aber von lobl[icher] Facultate medica fordersamst zum ordentlichen Examen gezogen werden möge. Als worüber einer gnädigen Erhör und Willfahrung mich zuversichtl[ich] getrostende in tiefster Demuth beharre.

Einer hochpreißl[ich]. Churfürstlichen

Regierung

Hofr[at] Hessenhover

concepit

post Concept mundirt Stempel 1 fl. 24 xr13

Demüthige

Catharina des Schuhmachermeister Schmausen Ehefrau hiesig

An

Eine hochpreißl. Churfürstl. Regierung zu Mayntz.

demüthig. notdringlichste Vorstellung und Bitte mit

Beylagen sub Littris14 A. B. C. et D.

Mein Catharinae, des Schuhmachermmeister Schmausen Ehefrau, hies[ig] Hebammendienst betreff[end].

Anlagen A-D zu der Supplik von Katharina Schmaus vom 31.08.1769

Anlage A

Daß Fraw Magdalena Schmaussin in Kindsnöten meiner Fraw schon zum 6ten Mal gedienet, und jederzeit ihre Dienstschuldigkeiten so verrichtet, daß nicht allein gegen sie die mindeste Klag nicht hab, sondern dieselbe wegen ihrem jederzeit gethanen extra Fleiß und gröster Sorgfalt annoch täglich verdienet, aller Orten bestens recommendiret15 zu werden, welches hiermit bestens bescheine. Maynz, den 28. August 1769 Lorenz Diel, Gärtner bey Herrn Obristlie[utentan]t Faber

Anlage B

Ich habe zwo geschworne Amme16 gehabt und mit alle zwey unglücklich gewesen. Die erste ware die Frau Grausen, die hat meine Frau von Montag bis zum Donnerstag auffgehalten und were bald jung und alt zu grund gangen wan nit der Herr Dobe were geholt worden und das Kint zor Welt gebracht, und die Am17 mit rauen Worten ausgeschend18. Die zweite ware die Catarina Amsad, die ich zur regter Zeit gehold, aber sie hat ire Schultigkeit nit getan. Sie sagte, es were nog 8 dag zu fru und hat meine Frau in Schmertzen ligen laßen von 4 bis 9 Uhr, muß also in gröster Noth die Frau Schmausin holen lassen, welge bei erstem Eintrid gesbrogen, es were verweilt19, das Kint were dott20, iest anog hat die letzte das dote Kind empfangen in Lebensgefahr Ich attestire, daß die Schmausin die beste ist Johannes Arnold

Anlage C

Ich attestire der Frau Schmausen, daß ich sie bey 4 Kinter gehabt und jeder Zeit ire Schultigkeit getan had, wie es einer regtschafener Frau zukombt und halte sie vor die beste, weilen sie in der dat21 arbeidet und die andre mit den Meuler22 Martin Staut

Anlage D

Daß Fraw Magdalena Schmausin in Kindßnöthen meiner Fraw schon zum 3ten Mal gedint und jederzeit ihre Dienstschuldigkeiten so verrichtet, daß nicht allein gegen sie die mindeste Klag nicht hab, sondern dieselbe wegen ihrem jederzeit gethanen Extrafleiß und gröster Sorgfalt annoch täglich verdinet aller23 Orthen bestens recomandiret zu werden befohrab was sie zwerg komen24, welches hiemit bescheine. Maynz, den 28ten Aug[ust] 1769 Johan Reinhardt, Gracianer gewesener Corporal v[on] Faber


  1. Das Conclusum von anderer Hand.
  2. Es wird mitgeteilt. Die Adressaten folgen im Dativ.
  3. zur Berichterstattung.
  4. Abkürzung für "manu propia"= mit eigener Hand.
  5. oben erwähnte.
  6. empfehlenswert.
  7. unter den Buchstaben.
  8. Aufzählung von ABCD am Rand.
  9. auf Anforderung.
  10. meine oben erwähnte, verstorbene.
  11. abgelehnt.
  12. angenommen.
  13. Concepit = hat entworfen; post Concept mundirt = nach dem Konzept ausgefertigt. Der Antrag ist auf Stempelpapier geschrieben, die Kosten für das Stempelpapier betrugen 1 fl. 24 kr.
  14. unter den Buchstaben.
  15. empfohlen.
  16. Hebammen.
  17. Hebamme.
  18. ausgeschimpft.
  19. zu spät.
  20. tot.
  21. Tat.
  22. hier: mit Worten.
  23. versehentlich doppelt.
  24. quer, entgegen, im Sinne von: Schwierigkeiten bereite.