Mainzer Hebammenwesen in der Frühen Neuzeit

Eingabe (“Memorial”) des Stadtmedicus Johann Martin Hohenstadt gegen die Hebamme Anna Maria Kobald

Datum: vor 28.01.1658

Quelle: Stadtarchiv Mainz 27-350

Überlieferung: Ausfertigung mit eigenhändiger Unterschrift und Präsentationsvermerk 28.1.1658

Personen

Orte


Hochwohlgeborener Freiherr gnädiger Herr auch ehrnveste fürsichtige undt wohlweiße insonderß großg[nädige] Herrn.

Demselben mag ich erheischender meiner Notturfft nach clagendt nicht verhalten1, waß gestalten Anna Maria N.2 Hebahm alhier mich ahn meinen Ehren undt guethem Nahmen hochstraffbahrlich angegrieffen, undt hin undt wieder in der Statt fälschlich traducirt3, undt verlembt4, undt außgeschrien, ob deß H[errn] Oberkellers5 jungstßhien in Octobri in Kindtsnöhten verstorbener Hausfr[au] ich mit unordentlichen undt bey dergleichen Zustandt ohngewöhnlichen Medicamentis ubernohmmen hette, undt alß derhalben ich sie beschickt undt in Beywesen6 deß Barbierers7 Meister Johan Abraham Medici (den ich bey obgemelten Zustandt gebraucht, undt uff welchen sie dergleichen ehrnruhrige Wordt außgestoßen), darüber zu reden gestelt, sie auch obangeregtes8 ubel Nachreden undt Verlembden nicht verneinen können, sondern sich deßen allen schuldig geben, undt gern bekandt, daß sie die von mihr applicirte9 Medicamenta nicht verstünde, auch nicht wüste, ob solche schädtlich sein können oder nicht undt sich allein darmit entschuldiget, daß sie es auß Ohnverstandt geredt hette, so hab ich auß christlichen Gemüth ihro zwahr solches verziehen gehabt, doch mit dieser angeheffter Condition, daß Sie ahn die jenige Orth undt Endten, allwo sie solche ehrnrührige Calumnias10 gegen mich außgepracht, verfügen undt ihr Wordt revociren11 solle, so sie zu thun mihr trewlich zugesagt undt versprochen, so wenig aber ist es geschehen, daß Sie noch darüber sich ahn einigenn gewißen Orthen vernehmen laßen, wie ich sie beschickt, ihr obiges furgehalten12, undt wie solches zwahr zu renvociren versprochen hette, begehrte es aber nimmer mehr zu thun, undt waß sie gesagt, daß sagte sie nochmahl undt wolte auch dabey verbleiben.

Wan nun aber diejenige Medicamenta, so ich gebraucht, maßen13 alle erfahrne Medici bekennen werden, eigendtlich zu solchen Zustandt gehörig, undt ein mehrers nicht verordnet, alß die eußerste Noth erforderet hatt, dahero dan sie Anna Maria ihrem ohngewaschenem ohnnutzen Maull den Zaum zu weit schießen laßen, undt mit solchen ehrenrührigen ubeln Nachreden mir zu viel undt ohnrecht gethan hatt, undt da solches stillschweigendt hiengehen ließe, gar leichtlich umb Ehr undt guten Nahmen, welcher mihr gleichwohlen so lieb alß mein Leben cum vila et fama pari passu ambulent14 kommen könte.

Alß ist undt gelangt solchem nach ahn E[ure] Freyh[herrliche] G[naden] ahn den Herrn mein underthänige undt dienstfleißige Bitt, dieselbe geruhen wollen, mehr gemelle15 Annam Mariam dahin anzuhalten, daß alles daß jenige, so wie gemelt selbige gegen mich Calumniose16 außgesprengt, wie rechtens darthue undt beweise in Verpliebung aber deßen, wie sie es dan in Ewigkeit nit wirdt wahr machen können, einen offentlichen Wiederruff thue undt bekenne, daß darmit mihr zu viel undt Unrecht gethan habe undt dabenebens dieselbe mit einer scharffen Straffe, wie sie es wohl verdient hat, belegen, undt Ahnsehen, darahn beschigt17, waß rechtens, undt thue pro administranda Iustitia18 bestes Fleißes undert[hänig] undt dienstl[ich] bitten.

E[uer] Freyh[errliche] Gn[aden] auch der Herrn undterthenigl[ich] undt dienstw[illig] Johan Martin Hohenstadt Medicinae Dr.

Hochgemußigstes Memorial Mein Dr. Johan Martin Hohenstadts Contra Annam Mariam N N Hebahm alhier in Maintz.


  1. vorenthalten, verschweigen.
  2. Es handelt sich um Anna Maria Kobald, wie aus der Notiz im Ratsprotokoll hervorgeht; Stadtarchiv Mainz. 1-15 (Ratsprotokoll 1654-1659), fol.135v.
  3. verleumdet.
  4. verleumdet.
  5. (Ober)Keller: Beamter, der für die Wirtschaftsverwaltung zuständig war.
  6. Beisein, Anwesenheit.
  7. Barbier. Barbiere boten in der Frühen Neuzeit – neben dem Bartscheren – auch medizinische Dienstleistungen an wie Aderlass oder das Ziehen von Zähnen. Die Grenzen zum Chirurgen (im Unterschied zum gelehrten Arzt) sind fließend.
  8. oben erwähntes.
  9. angewendete.
  10. Anklage.
  11. widerrufen.
  12. vorgehalten.
  13. wie.
  14. Übersetzt bedeutet dies so viel wie: “...wenn Ruhm und Reichtum Hand in Hand gehen”.
  15. verschrieben für ”gemelte”. ”mehr gemelte” = mehrmals erwähnte.
  16. Anklage.
  17. geschieht.
  18. für die Rechtspflege.